Geschichte und aktuelle Reform des Wohnungseigentumsgesetzes

Urteilsdatum: 14.02.2020

Das Wohnungseigentumsgesetz wurde im Jahre 1951 geschaffen, um den dringend notwendigen Wohnungsbau zu stärken und breiten Bevölkerungsschichten den Erwerb eines Eigenheims zu ermöglichen. In den Jahren 1973 und 2007 wurde das Wohnungseigentumsgesetz reformiert. Die grundlegende Reform im Jahre 2007 betraf im Wesentlichen die Ausweitung der Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer, Änderungen im Verfahrensrecht und die Regelung der Rechtsfähigkeit der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Dennoch hat es auch diese grundlegende Reform nicht geschafft, alle Regelungslücken zu schließen. Die Rechtsprechung hat viele Fragen geklärt, jedoch sind zahlreiche Fragen immer noch offen. Zudem ist es von Zeit zu Zeit auch schlichtweg erforderlich, Gesetze an den Wandel und den Fortschritt in der Technik und in der Gesellschaft anzupassen. Für die Erreichung der Klimaziele ist die energetische Sanierung von Bestandsgebäuden unerlässlich. Neben den Maßnahmen zur Barrierereduzierung und zur energetischen Sanierung verlangt auch die Errichtung von Lademöglichkeiten zur Förderung der Elektromobilität Eingriffe in die Bausubstanz.

Im Koalitionsvertrag 2018 vereinbarten Union und SPD: „Wir werden die Regelungen des Wohnungseigentumsrechts reformieren und mit dem Mietrecht harmonisieren, um die Vorbereitung und Durchführung von Beschlüssen der Wohnungseigentümer über bauliche Maßnahmen insbesondere in den Bereichen Barrierefreiheit, energetische Sanierung, Förderung von Elektromobilität und Einbruchsschutz zu erleichtern.“

Im Sommer 2018 wurden zwei Diskussionsentwürfe vorgelegt, die versuchten Lösungsansätze zu finden.  Im  Mittelpunkt  standen  Initiativen  zur  Erleichterung  von  Baumaßnahmen,  zur  Erhöhung  der  Barrierefreiheit  in  den  Wohnungseigentumsanlagen  und  zur  Errichtung  von  Ladestationen für Elektrofahrzeuge in Mietobjekten und Wohnungseigentumsanlagen. Es handelte  sich  dabei  um  den  Diskussionsentwurf  des  Bayerischen  Staatsministeriums  der  Justiz für ein „Gesetz für zukunftsfähiges Wohnen im Wohneigentum“ und um den Diskussionsentwurf des Bundesministeriums der Justiz und für Verbraucherschutz zu einem „Gesetz zur Förderung von Barrierefreiheit und Elektromobilität im Miet-und Wohnungseigentumsrecht“. Im  Juni  2018  fasste  die  89.  Konferenz  der  Justizministerinnen  und  Justizminister  (JuMiKo) den  Beschluss,  eine  länderoffene  Arbeitsgruppe  einzurichten.  Um  Wohnungseigentum  wieder attraktiver zu machen, solle geprüft werden, „durch welche gesetzgeberischen Maßnahmen zum Beispiel einem bestehenden Sanierungsstau bei Wohnungseigentumsanlagen, vor allem auch soweit dieser die Gewährleistung der Barrierefreiheit des Wohnens und die Förderung  der  Elektroenergie  behindert,  entgegengewirkt  werden  kann,  um  damit  wertvollen Wohnraum  dauerhaft  zu  erhalten  sowie  insbesondere  in  Ballungsgebieten  die  Erweiterung bestehenden  Wohnraums  zu  erleichtern.  Ferner soll geprüft  werden,  wie  gesetzgeberisch eine  effizientere  Verwaltung  des  Gemeinschaftseigentums  befördert  werden  kann.  Das Bundesministerium  der  Justiz  und  für  Verbraucherschutz  wurde  gebeten,  sich  an  der  Arbeitsgruppe zu beteiligen. Die  Leitung  der  Arbeitsgruppe  erfolgte gemeinsam  durch  das  Bayerische  Staatsministerium der  Justiz  und  durch  das  Bundesministerium  der  Justiz  und  für  Verbraucherschutz.  Neben Bayern  beteiligten  sich  die  folgenden  Länder:  Baden-Württemberg,  Berlin,  Hessen,  Niedersachsen, Nordrhein-Westfalen, Rheinland-Pfalz, Saarland, Sachsen, Schleswig-Holstein und Thüringen. Die Arbeitsgruppe beschränkte sich bei ihrer Beratung thematisch nicht auf den Auftrag der JuMiKo, sondern ihre Untersuchung des Wohnungseigentumsgesetzes war breiter angelegt. Anfang  Juli  2018  wurden  die  Bundesressorts,  die  Landesjustizverwaltungen,  Verbände  sowie Experten angeschrieben und gebeten, zu den genannten Diskussionsentwürfen aus dem Sommer  2018  Stellung  zu  nehmen.  Die  Adressaten  wurden  außerdem  gebeten,  den  aus ihrer  Sicht  darüber  hinaus  bestehenden  Änderungsbedarf  im  Bereich  des  Wohnungseigentumsrechts  zu  benennen.  Durch  Auswertung  der  umfangreich  vorgelegten  Stellungnahmen bildete die Arbeitsgruppe Themenschwerpunkte, die in Sitzungen der Arbeitsgruppe beraten wurden. Diese Beratungen wurden in der Weise vorbereitet, dass zu den anstehenden Themen Arbeitspapiere erstellt wurden, in denen die derzeitige Rechtslage, die Problemschilderung und Vorschläge zu möglichen Lösungsansätzen dargestellt wurden (Quelle: Abschlussbericht der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur Reform des WEG).

Am 13.1.2020 hat nun das BMJV den Referentenentwurf eines „Gesetzes zur Förderung der Elektromobilität und zur Modernisierung des Wohnungseigentumsgesetzes (Wohnungseigentumsmodernisierungsgesetz – WEModG)“ veröffentlicht und zahlreichen Verbänden zur Stellungnahme übersandt. Der Entwurf hält sich eng an die Ergebnisse der Bund-Länder-Arbeitsgruppe zur WEG-Reform.

Zu den Schwerpunkten der Reform werden zählen, dass jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf haben soll, dass ihm auf seine Kosten der Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, der barrierefreie Aus- und Umbau sowie Maßnahmen des Einbruchsschutzes gestattet  werden. Ein inhaltsgleicher Anspruch ist für  Mieter  vorgesehen.  Darüber hinaus sollen unnötige Friktionen zwischen Wohnungseigentums- und Mietrecht abgebaut  werden,  insbesondere  indem  die  Vorgaben  zur  Betriebskostenabrechnung  harmonisiert werden. Weiter soll die Beschlussfassung über bauliche Veränderungen der Wohnanlage vereinfacht werden, insbesondere für Maßnahmen, die zu nachhaltigen Kosteneinsparungen führen oder die Wohnanlage in einen zeitgemäßen Zustand versetzen.

Die Rechte von Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümern sollen erweitert werden, insbesondere indem das Recht auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen im Gesetz festgeschrieben und ein jährlicher Vermögensbericht des Verwalters eingeführt wird, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft Auskunft gibt. Auch die Möglichkeit, sich von einer Verwalterin oder einem Verwalter zu trennen, in den die Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer das Vertrauen verloren haben, soll erleichtert werden. Die  Wohnungseigentümerversammlung  soll  als  zentraler  Ort  der  Entscheidungsfindung  aufgewertet  werden,  indem  die  Ladungsfrist  verlängert  und  Hürden für die  Beschlussfähigkeit beseitigt werden. Zugleich soll es Wohnungseigentümern ermöglicht werden,  die  Chancen  der  Digitalisierung  zu  nutzen,  insbesondere  indem  die  Online-Teilnahme an Versammlungen und die elektronische Beschlussfassung gestattet werden. Der Verwaltungsbeirat soll gestärkt werden, indem seine Zusammensetzung flexibilisiert und die Haftung seiner Mitglieder beschränkt werden. Die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums soll effizienter gestaltet werden, indem  die  Rolle  der  rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer klar konzipiert und ihre Teilnahme am Rechtsverkehr vereinfacht werden. Auch soll das Streitpotential in der Gemeinschaft reduziert werden, indem streitträchtige Vorschriften  klarer  gefasst  werden.  Das  gilt  insbesondere  für  die  Vorschriften  zu  Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung, zu baulichen Veränderungen und zur Entstehung und Stellung der rechtsfähigen Gemeinschaft der Wohnungseigentümer.

Überblick über die wesentlichen vorgesehenen Änderungen:

  • Sanierung, Modernisierung und bauliche Veränderungen sollen vereinfacht werden. Insbesondere die Förderung der Elektromobilität, der Barrierereduzierung und des Einbruchschutzes
  • Gemeinschaft als Träger der Verwaltung

Um die oft schwierige Unterscheidung zu beseitigen, ob im Einzelfall die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümer selbst Träger von Rechten und Pflichten sind, sieht der Entwurf vor, die Gemeinschaft als Träger der gesamten Verwaltung auszugestalten, die durch ihre Organe handelt (Eigentümerversammlung als Willensbildungsorgan, Verwalter als Vertretungsorgan).

  • Stärkung der Rechte der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer, so z.B. durch ein gesetzlich normiertes Einsichtsrecht, Recht auf jährlichen Bericht zur wirtschaftlichen Lage der WEG, Abschaffung des Beschlussfähigkeitsquorums, erleichterte Hürden bei Beschlussfassungen und der Abberufung des Verwalters.
  • Verlängerte Einberufungsfrist für Eigentümerversammlungen und die Möglichkeit der Online-Teilnahme. Textform anstatt Schriftform für Umlaufbeschlüsse.
  • Flexible Anzahl der Mitglieder im Verwaltungsbeirat und Begrenzung der Haftung auf Vorsatz und grobe Fahrlässigkeit
  • Anfechtungsklagen richten sich künftig allein gegen die Gemeinschaft
  • Vereinfachung von Jahresabrechnung und Wirtschaftsplan
  • Harmonisierung von Miet- und Wohnungseigentumsrecht
  • Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft/mehr Befugnisse für Verwalter
  • Regelungen zur werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft
  • Sondereigentumsfähigkeit von Freiflächen
  • Modernisierung des gerichtlichen Verfahrensrechts
  • Grundbucheintragung vereinbarungsändernder Beschlüsse
  • Die gesetzliche Pflicht, über die Beschlüsse der Wohnungseigentümer eine Beschluss-Sammlung zu führen, soll im Rahmen der Reform entfallen.

Konkret sind im Einzelnen gemäß dem Referentenentwurf insbesondere folgende Änderungen vorgesehen:

  1. Förderung der Elektromobilität, der Barrierereduzierung und des Einbruchschutzes

Um die Sanierung und Modernisierung von Wohnungseigentumsanlagen zu vereinfachen, sieht der Entwurf mehrere Änderungen am WEG vor. So soll jeder Wohnungseigentümer einen Anspruch darauf bekommen, ihm auf eigene Kosten den Einbau einer Lademöglichkeit für ein Elektrofahrzeug, einen barrierefreien Aus- und Umbau sowie Maßnahmen zum Einbruchsschutz zu gestatten. Nach geltendem Recht bedarf jede bauliche Veränderung des gemeinschaftlichen Eigentums der Zustimmung aller Wohnungseigentümer, die durch die Maßnahme über das bei einem  geordneten  Zusammenleben  unvermeidliche  Maß  hinaus  beeinträchtigt  werden (§ 22 Absatz 1 in Verbindung mit § 14 Nummer 1 WEG). Nach Ansicht der Rechtsprechung liegt die Schwelle zu einer Beeinträchtigung recht niedrig. Deshalb dürfen bauliche Veränderungen des gemeinschaftlichen Eigentums häufig nur mit Zustimmung aller Wohnungseigentümer vorgenommen werden. Dabei kann jeder Wohnungseigentümer seine Zustimmung auch ohne ernsthaften Grund verweigern, solange seine Rechte jedenfalls im Rechts-sinne beeinträchtigt sind. Die Zustimmung aller Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen ist in der Praxis gerade in größeren Gemeinschaften kaum zu erreichen. Selbst wenn eine Maßnahme als Modernisierung im Sinne des § 22 Absatz 2 WEG einzuordnen ist,  muss  sie  durch  eine  Mehrheit  von  drei  Vierteln  aller  stimmberechtigten Wohnungseigentümer  und  mehr  als  der  Hälfte  aller  Miteigentumsanteile  beschlossen  werden.  Auch diese hohe Quoren werden in der Praxis selten erreicht. Zudem besteht die Vorgabe, dass durch die bauliche Maßnahme die „Eigenart der Wohnanlage“ nicht geändert werden darf. Die  geltende  Rechtslage  führt  so  dazu,  dass  der  bauliche  Zustand  der  Wohnungseigentumsanlage „versteinert“. Daneben werden aber auch bauliche Veränderungen verhindert, die für einzelne Wohnungseigentümer und Wohnungseigentümerinnen besonders bedeutsam und aus gesamtgesellschaftlicher Perspektive sinnvoll sind. Dies gilt insbesondere für die  Errichtung  einer  Lademöglichkeit für elektrisch  betriebene  Fahrzeuge sowie  für  Maßnahmen der Barrierereduzierung und des Einbruchsschutzes. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass bauliche Maßnahmen zur Errichtung einer Lademöglichkeit für elektrisch betriebene Fahrzeuge, zur Barrierereduzierung sowie zum Einbruchsschutz  privilegiert  werden.  Diese  Maßnahmen  sollen  künftig  nicht  mehr  der  Zustimmung aller Wohnungseigentümer bedürfen. Vielmehr soll jeder Wohnungseigentümer bzw. jede Wohnungseigentümerin grundsätzlich einen Rechtsanspruch darauf haben (§ 20 Absatz 2 des Wohnungseigentumsgesetzes in der Entwurfsfassung –WEG-E). Die Eigentümerversammlung darf die Baumaßnahmen in der Regel nicht verwehren. Sie darf aber auf die Art der Durchführung der Maßnahme Einfluss nehmen und zum Beispiel beschließen, dass die Gemeinschaft  die  Baumaßnahme  organisiert,  damit  diese  den  Überblick  über  den  baulichen  Zustand  der  Wohnanlage  behält.  Die  Kosten  der  Maßnahme  soll  der  begünstigte Wohnungseigentümer tragen. Zusätzlich soll grundsätzlich auch jeder Mieter bzw. jede Mieterin einen Anspruch gegen den jeweiligen Vermieter bzw. die jeweilige Vermieterin erhalten, dass ihm bzw. ihr bauliche Maßnahmen zur Errichtung einer Lademöglichkeit für elektrisch betriebene Fahrzeuge, zur Barrierereduzierung  sowie  zum  Einbruchsschutz auf  seine  Kosten  erlaubt  werden  (§ 554 des Bürgerlichen Gesetzbuches in der Entwurfsfassung –BGB-E). Der  Entwurf  liefert  damit  auch  einen  wichtigen  Beitrag  für  das  Erreichen  der  Klimaziele. Denn die rechtliche Erleichterung des Einbaus von Lademöglichkeiten für Elektrofahrzeuge ist für die Förderung der Elektromobilität unerlässlich.

  1. Erleichterung baulicher Maßnahmen

Wohnungseigentumsanlagen weisen im Vergleich zu anderen Wohnanlagen häufig einen erhöhten Sanierungsbedarf auf. Das liegt insbesondere an den rechtlichen Rahmenbedingungen. Denn das geltende WEG unterscheidet eine Vielzahl verschiedener Maßnahmen (Instandhaltung und Instandsetzung, modernisierende Instandsetzung, Modernisierung oder Anpassung an den Stand der Technik, sonstige bauliche Veränderungen) mit jeweils unterschiedlichen Anforderungen. Zugleich verlangt das geltende Recht in vielen Fällen die Einstimmigkeit oder die Zustimmung von mindestens drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte aller Miteigentumsanteile. Diese Voraussetzungen werden in der Praxis selten erreicht. Das geltende Recht wird daher dem Bedürfnis, den baulichen Zustand von Wohnungseigentumsanlagen an die sich stetig ändernden Gebrauchsbedürfnisse anzupassen, nicht hinreichend gerecht. Der  Entwurf  sieht  eine  Vereinfachung  des  Rechts  der  baulichen  Maßnahmen  vor. Insbesondere sollen bauliche Veränderungen grundsätzlich mit einfacher Stimmenmehrheit beschlossen  werden  können  (§ 20  Absatz 1  WEG-E).  Die  Wohnungseigentumsanlage  darf durch die bauliche Veränderung aber nicht grundlegend umgestaltet und kein Wohnungseigentümer darf durch die Baumaßnahme unbillig benachteiligt werden. Dies dürfte nur in Ausnahmefällen auftreten und bei den privilegierten Maßnahmen (§ 20 Absatz 2 WEG-E) zumindest typischerweise nicht der Fall sein. Im Hinblick auf die Kosten baulicher Veränderungen schafft der Entwurf einen angemessenen Ausgleich der womöglich widerstreitenden Interessen der Wohnungseigentümer: Die Kosten  baulicher  Veränderungen,  insbesondere  von  energetischen  Sanierungsmaßnahmen, die sich innerhalb eines angemessenen Zeitraums amortisieren, sollen von allen Wohnungseigentümern zu tragen sein; das Gleiche gilt für Maßnahmen, die der Anpassung der Wohnungseigentumsanlage an einen zeitgemäßen Zustand dienen (§ 21 Absatz 2 Satz 1 WEG-E). Denn dadurch wird verhindert, dass Wohnungseigentumsanlagen auf dem baulichen Zustand ihrer Errichtung „versteinern“. Andere bauliche Veränderungen sind dagegen nur  von  den  Wohnungseigentümern  zu  bezahlen,  die für  die  bauliche  Veränderung  gestimmt haben (§ 21 Absatz 3 Satz 1 WEG-E). Umgekehrt sollen aber auch nur diese Wohnungseigentümer zur Nutzung des umgestalteten gemeinschaftlichen Eigentums berechtigt sein (§ 21 Absatz 3 Satz 2 WEG-E).

  1. Stärkung der Rechte der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer

Der Entwurf sieht eine Reihe von Regelungen vor, die die Rechte der Wohnungseigentümer stärken und transparenter hervorheben. Für  die  Wohnungseigentümer  ist  es  von  grundlegender  Bedeutung,  über  den  Stand der Verwaltung und die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft informiert zu sein. Dieses Informationsinteresse sichert der Entwurf in zwei Richtungen ab: Zum einen wird das Recht jedes Wohnungseigentümers auf Einsichtnahme in die Verwaltungsunterlagen  ausdrücklich  im  Gesetz  festgeschrieben  (§ 18  Absatz 4 WEG-E).  Daneben  wird der Verwalter verpflichtet, für die Wohnungseigentümer jährlich einen Vermögensbericht zu erstellen, der über die wirtschaftliche Lage der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer Auskunft gibt (§ 28 Absatz 3 WEG-E). Der  Entwurf  stärkt  die  Versammlung der Wohnungseigentümer  als  zentralen  Ort  der Entscheidungsfindung. Dafür wird die Ladungsfrist von zwei auf vier Wochen verlängert (§ 24 Absatz 4 Satz 2 WEG-E) und dadurch den Wohnungseigentümern mehr Zeit eingeräumt, sich auf die Versammlung vorzubereiten, indem sie sich etwa zu bestimmten Themen  beraten  lassen.  Außerdem  können  sich  die Wohnungseigentümer  den  Versammlungstermin früher freihalten, was die Chance erhöht, dass sie an der Versammlung persönlich teilnehmen können. Um in Zukunft überflüssige und ärgerliche Teilnahmen an Versammlungen zu vermeiden, die sich als nicht beschlussfähig herausstellen, soll  zudem  das  Beschlussfähigkeitsquorum  aufgehoben  werden.  In  Zukunft  soll  also jede Versammlung unabhängig von der Zahl der vertretenen Miteigentumsanteile beschussfähig sein (vergleiche § 25 WEG-E). Dies stärkt die Verwaltungskompetenz der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer, die sich in Zukunft darauf verlassen können, dass eine Versammlung, zu der sie erscheinen, auch Beschlüsse fassen  kann.  Daneben  wird  die  Einberufung  einer  Versammlung  gerade  in  kleinen  Gemeinschaften   ohne   Verwalter   und   Verwaltungsbeirat   vereinfacht   (§ 24   Absatz 3 WEG-E). Ein Einberufungsverlangen sollen Wohnungseigentümer dem Entwurf zufolge künftig auch in Textform, z.B. per E-Mail, stellen können. Derzeit fordert das Gesetz die Schriftform. Zudem soll es den Wohnungseigentümern erleichtert werden, selbst eine Eigentümerversammlung einzuberufen, wenn eine Einberufung durch den Verwalter oder den Beiratsvorsitzenden nicht möglich ist. Für die Erteilung einer Vollmacht für die Eigentümerversammlung soll künftig auch die Textform, z.B. Fax, E-Mail ausreichen.

Nach geltendem Recht können die Wohnungseigentümer zwar grundsätzlich über die Verteilung der Kosten, insbesondere von Baumaßnahmen, abweichend von dem durch das Gesetz oder durch die Gemeinschaftsordnung vorgegebenen Maßstab beschließen (§ 16 Absatz 4 WEG). Dies gilt aber nur, wenn es sich um einen Einzelfall handelt. Ein solcher Beschluss bedarf zudem der Zustimmung von mindestens drei Vierteln aller stimmberechtigten Wohnungseigentümer und mehr als der Hälfte der Miteigentumsanteile. Diese Regelung führt dazu, dass in der Praxis eine sinnvolle und gerechte Kostenverteilung häufig unterbleibt, zumal das Kriterium des „Einzelfalls“ in der Praxis schwer zu beantwortende Folgefragen auslöst. Der Entwurf sieht deshalb vor, dass die Wohnungseigentümer  mit  einfacher  Stimmenmehrheit  über  die  Verteilung einzelner Kosten oder bestimmter Arten von Kosten entscheiden können (§ 16 Absatz 2 Satz 2 WEG-E). Der Entwurf macht es den Wohnungseigentümern zukünftig einfacher, sich von einem Verwalter zu trennen, mit dessen Arbeit sie nicht zufrieden sind. Es soll nämlich nicht mehr  erforderlich  sein,  für  das  Abberufungsrecht  der  Wohnungseigentümer  auf  das Vorliegen  eines  wichtigen  Grundes  abzustellen.  Zugleich  wird  damit  der  oft  als  sehr belastend empfundene Streit darüber vermieden, ob die Voraussetzungen für eine Abberufung vorliegen. Der Entwurf sieht vor, dass ein Wohnungseigentümer durch Beschluss ermächtigt werden kann, die Versammlung einzuberufen (§ 24 Absatz 3 WEG-E). Das erleichtert insbesondere in kleineren Gemeinschaften, die keinen Verwalter und keinen Verwaltungsbeirat bestellt haben, die Organisation von Versammlungen. Schließlich gibt der Entwurf den Wohnungseigentümern auch die Möglichkeit, Verstöße gegen die Gemeinschaftsordnung effektiver als bisher zu unterbinden. Er sieht nämlich vor,  dass  die Wohnungseigentümer  die  Einführung  von  Vertragsstrafen  beschließen können (§ 19 Absatz 3 Satz 2 WEG-E). Mit einer solchen Vertragsstrafe kann insbesondere  denjenigen Wohnungseigentümern  begegnet  werden,  die  die  Gemeinschaft durch  wiederholte  Verstöße  gegen  die Gemeinschaftsordnung  belasten,  deren  Fehl-verhalten aber keine Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigt.

  1. Stärkung des Verwaltungsbeirats

Der Entwurf sieht eine Stärkung des Verwaltungsbeirats als wichtigem Kontrollorgan vor. Die Tätigkeit im Verwaltungsbeirat soll attraktiver werden, indem die Haftung der Mitglieder des  Verwaltungsbeirats  auf  Vorsatz  und  grobe  Fahrlässigkeit  beschränkt  wird  (§ 29  Absatz 3 WEG-E). Zudem sieht der Entwurf eine Flexibilisierung dahingehend vor, dass die Wohnungseigentümer die Größe des Verwaltungsbeirats nach den Bedürfnissen ihrer konkreten Gemeinschaft festlegen können (§ 29 Absatz 1 WEG-E).

  1. Nutzung der Möglichkeiten der Digitalisierung

Der Entwurf öffnet das Wohnungseigentumsrecht für die Möglichkeiten der Digitalisierung. Das gilt zum einen für die Wohnungseigentümerversammlung. Denn das geltende Recht sieht nur eine Teilnahme an der Versammlung durch persönliche Anwesenheit vor. Auch wenn die Mehrheit der Wohnungseigentümer einverstanden ist, darf ein interessierter Wohnungseigentümer  nach  geltendem  Recht  etwa  nicht  im  Wege  der  Videoübertragung  teilnehmen. Um die Möglichkeiten der Digitalisierung in diesem Bereich zu nutzen, ist vorgesehen,  dass  die Wohnungseigentümer  über  eine  sogenannte  Online-Teilnahme  an  ihren Versammlungen beschließen können (§ 23 Absatz 1 Satz 2 WEG-E).

Der Entwurf sieht zudem vor, dass Umlaufbeschlüsse nicht mehr zwingend schriftlich, also mit Unterschriften der Wohnungseigentümer versehen, gefasst werden müssen. Stattdessen genügt die Textform (§ 23 Absatz 3 WEG-E). Dadurch wird erstmals eine elektronisch unterstützte Beschlussfassung ermöglicht. Die gesetzlichen Vorgaben stehen damit insbesondere der Fassung von einstimmigen Beschlüssen über entsprechende Plattformen oder Apps nicht mehr im Wege.

  1. Rechtssicherheit in der Begründungsphase

Der Entwurf schafft Rechtssicherheit in der Begründungsphase der Wohnungseigentümergemeinschaft. Denn insbesondere beim Erwerb des Wohnungseigentums vom Bauträger stellt  sich  die  Frage,  ab  welchem  Zeitpunkt  die  Vorschriften  des  WEG  anwendbar  sind, wann die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer entsteht und wer zu welchem Zeitpunkt ihr Mitglied wird. Nach dem Konzept des historischen Gesetzgebers von 1951 ist dies erst der Fall, wenn ein Erwerber als Wohnungseigentümer im Grundbuch eingetragen ist. Nach der Rechtsprechung soll es dagegen –vereinfacht betrachtet –genügen, wenn einem Erwerber der Besitz eingeräumt wurde. Von diesem Zeitpunkt an sollen die Vorschriften des WEG anwendbar sein, weil der Erwerber als sogenannter werdender Wohnungseigentümer Mitglied der sogenannten werdenden Wohnungseigentümergemeinschaft wird. Im Einzelnen  sind  diese Institute aber  nach  wie  vor  umstritten,  insbesondere  ihr  zeitlicher  Anwendungsbereich  (vergleiche  Bundesgerichtshof,  Beschluss  vom  5.  Juni  2008 –V  ZB  85/07 Randnummer 21). Außerdem besteht in der Praxis schon vor der Entstehung der Gemeinschaft das Bedürfnis, Verträge für die Gemeinschaft abzuschließen, etwa zur Versorgung mit Wasser und Energie. Um in diesem gerade für Verbraucher und Verbraucherinnen wichtigen Bereich Rechtssicherheit zu schaffen, sieht der Entwurf besondere Vorschriften für die Begründungsphase vor. Er ordnet zum einen an, dass das WEG bereits mit Anlegung der Wohnungsgrundbücher anwendbar ist; in diesem Zeitpunkt entsteht auch die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer als sogenannte Ein-Personen-Gemeinschaft (§ 9a Absatz 1 Satz 2 WEG-E). Der Entwurf regelt zudem, unter welchen Voraussetzungen ein Erwerber schon vor seiner Eintragung als Eigentümer im Grundbuch berechtigt ist, sich wie ein Wohnungseigentümer an der Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums zu beteiligen (§ 8 Absatz 3 WEG-E).

  1. Harmonisierung von Mietrecht und Wohnungseigentumsrecht

Rechtlich  ist  die  Vermietung  von  Eigentumswohnungen  ohne  Einschränkungen  zulässig (§ 13 Absatz 1 WEG). Auch rechtspolitisch ist dies mit Blick auf die damit einhergehende Vermögensbildung, insbesondere zur Altersvorsorge, erwünscht. Es besteht daher ein besonderes  Bedürfnis,  dass  sich  bei  der  Vermietung  von  Eigentumswohnungen  keine  vermeidbaren rechtlichen Friktionen ergeben. Aus diesem Grund sieht der Entwurf zum einen aufeinander abgestimmte Regelungen zur Förderung der Elektromobilität, des Gebrauchs durch Menschen mit Behinderung und zum Einbruchsschutz vor (siehe oben unter 1.). Harmonisierungsbedarf besteht zum anderen bei Baumaßnahmen in der Wohnungseigentumsanlage.  Die  Wohnungseigentümer  haben  ein  schutzwürdiges  Interesse,  dass  Baumaßnahmen nicht behindert oder verhindert werden, weil Wohnungen in der Anlage vermietet sind. Umgekehrt hat jeder Mieter ein berechtigtes Interesse, über Baumaßnahmen rechtzeitig  informiert  zu werden,  um  sich  auf  diese  einzustellen.  Der  Entwurf  sieht  daher eine  auf  Baumaßnahmen  bezogene  Duldungspflicht  des  Mieters  vor  (§ 15 WEG-E).  Aus Gründen des Mieterschutzes setzt dies eine ordnungsgemäße Ankündigung der Baumaßnahme voraus. Der Mieter kann sich im Einzelfall zudem auf Härtegründe berufen. Schließlich  enthält  der  Entwurf  auch  Vorschriften  zur  Harmonisierung  im Hinblick  auf  die Betriebskostenabrechnung. Denn bislang sieht das Mietrecht vor, dass die Betriebskosten grundsätzlich nach der Wohnfläche umzulegen sind (§ 556a Absatz 1 Satz 1 des Bürgerlichen Gesetzbuches). Nach den Vorschriften des WEG ist für die Verteilung dagegen in  der  Regel  der  Miteigentumsanteil  des  Vermieters  entscheidend  (§ 16  Absatz 2 WEG). Nach dem Entwurf soll bei vermieteten Eigentumswohnungen künftig die wohnungseigentumsrechtliche Verteilung maßgeblich sein. Das erspart aufwändige und fehleranfällige Um-rechnungen  bei  der  Erstellung  einer  Betriebskostenabrechnung  für  eine  Eigentumswohnung.

  1. Vereinfachung der Jahresabrechnung

Der Entwurf sieht eine deutliche Vereinfachung der rechtlichen Vorgaben für Wirtschaftsplan und Jahresabrechnung vor (§ 28 WEG-E). Denn gerichtliche Auseinandersetzungen in diesem Bereich sind vergleichsweise häufig. Dies liegt auch daran, dass die geltenden gesetzlichen Vorschriften unklar gefasst sind. So ist bislang etwa nicht gesetzlich geregelt, welche Bestandteile die Jahresabrechnung hat und was konkret Gegenstand des Beschlusses über die Jahresabrechnung ist. Weil auch die Gerichte zu diesen Fragen nicht immer einheitlich entscheiden, besteht in der Praxis Rechtsunsicherheit. Aus diesem Grund sieht der Entwurf eine Konkretisierung der maßgeblichen Vorschriften vor. So soll sich die Beschlussfassung über die Jahresabrechnung auf die Abrechnungsspitze beschränken; das Rechenwerk selbst hingegen soll nicht mehr Beschlussgegenstand sein. Zudem sollen Verwalter verpflichtet sein, nach Ablauf eines Kalenderjahres einen Vermögensbericht aufzustellen. Dieser muss die Darstellung der Instandhaltungsrückstellung sowie eine Aufstellung des wesentlichen Gemeinschaftsvermögens enthalten. Die Instandhaltungsrückstellung/Instandhaltungsrücklage soll den Namen „Erhaltungsrücklage“ erhalten, um zu verdeutlichen, dass es sich nicht lediglich um einen bilanziellen Posten, sondern um verfügbares Vermögen handelt.

  1. Ordnung der Rechtsbeziehungen in der Gemeinschaft

Das  historische  Konzept  des  WEG  sah  die  Rechtsfähigkeit  der  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  nicht  vor.  Die  Anerkennung  der  Rechtsfähigkeit  durch  den  Bundesgerichtshof  (Beschluss  vom  2.  Juni  2005 –V  ZB  32/05)  hat  daher  zwangsläufig  die  Frage aufgeworfen, wie die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in das geschriebene Recht integriert werden kann. Besondere Schwierigkeiten bereitet hierbei immer noch die Einbindung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in die Verwaltung des gemeinschaftlichen Eigentums. Die Rechtsbeziehungen zwischen den Wohnungseigentümern untereinander einerseits und zwischen den Wohnungseigentümern und der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer andererseits sind auch über zehn Jahre nach der WEG-Novelle 2007 nicht abschließend geklärt. Die konzeptionelle Unklarheit über die Rolle der rechtsfähigen Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  führt  dazu,  dass  der  Rechtsanwender  oftmals nicht mit hinreichender Sicherheit feststellen kann, ob die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümer berechtigt bzw. verpflichtet sind. Um die oft schwierige Unterscheidung zu beseitigen, ob im Einzelfall die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer oder die Wohnungseigentümer selbst Träger von Rechten und Pflichten sind, sieht der Entwurf vor, die Gemeinschaft als Träger der gesamten Verwaltung auszugestalten, die durch ihre Organe handelt (Eigentümerversammlung als Willensbildungsorgan, Verwalter als Vertretungsorgan). Der Entwurf beseitigt diese Rechtsunsicherheit, indem er der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer die Aufgabe zuweist, das gemeinschaftliche Eigentum zu verwalten (§ 18 Absatz 1 WEG-E). Dieses Konzept führt zu einer klaren Ordnung der Rechtsbeziehungen und ermöglicht es, ungeklärte Rechtsfragen nach allgemeinen rechtlichen Prinzipien zu lösen. Diese  Änderungen  im  materiellen  Recht  werden  durch  Änderungen  im  Verfahrensrecht flankiert.  Insbesondere  die  Beschlussanfechtungsklage  ist  nach  dem  Entwurf  gegen  die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten (§ 44 Absatz 2 WEG-E).

  1. Stärkung der Handlungsfähigkeit der Gemeinschaft

Nach geltendem Recht benötigt der Verwalter für die meisten Verwaltungsmaßnahmen einen  Beschluss  der  Wohnungseigentümer,  unabhängig  davon,  wie  bedeutsam  die  Maßnahme für die Gemeinschaft ist. Dieses gesetzliche Konzept mag bei Entstehung des WEG angesichts  der  damals  üblichen  Verhältnisse  im  Bauwesen  angemessen  gewesen  sein. Seit  den  1950er-Jahren hat  sich  die  durchschnittliche  Größe  von Wohnanlagen  aber  nahezu  verdoppelt.  Gerade  in  großen  Anlagen  lässt  sich das gesetzliche Konzept praktisch kaum umsetzen. Denn mit der Größe der Anlage steigt auch die Zahl der zu treffenden Maßnahmen, insbesondere im Bereich der Instandhaltung und Instandsetzung des gemeinschaftlichen Eigentums. Theoretisch müssten nach geltendem Recht häufig unterjährige Eigentümerversammlungen stattfinden, um einzelne, für die Wohnungseigentümer  letztlich  unbedeutende  Fragen  zu  entscheiden.  In  der Praxis  wird das gesetzliche Konzept deshalb weitgehend durch Regelungen in den Verwalterverträgen verdrängt, in deren Rahmen dem Verwalter über das Gesetz hinausgehende Handlungskompetenzen zugewiesen werden. Der Entwurf sieht daher vor, das WEG an die zeitgemäßen Bedürfnisse anzupassen.

Der Verwalter soll in eigener Verantwortung über „gewöhnliche“ Maßnahmen entscheiden können, die eine vorherige Beschlussfassung der Eigentümer aus objektiver Sicht nicht erfordern. Inwieweit eine Maßnahme als gewöhnlich anzusehen ist, soll sich aus Größe und Art der Anlage ergeben. Dem Entwurf zufolge sollen je nach Einzelfall auch der Abschluss von Versorgungs- und Dienstleistungsverträgen oder die gerichtliche Durchsetzung von Hausgeldforderungen zum Kreis der gewöhnlichen Maßnahmen gehören können.

Zudem soll der Verwalter aus Gründen der Rechtssicherheit im Außenverhältnis eine unbeschränkte und unbeschränkbare Vertretungsmacht für die Gemeinschaft erhalten. Der Verwalter  soll für  alle gewöhnlichen  Maßnahmen,  die  eine  Entscheidung durch  die Wohnungseigentümer aus objektiver Sicht nicht erfordern, zuständig sein. Gleiches soll für eilbedürftige  Maßnahmen  gelten  (§ 27  Absatz 1  WEG-E).  Eine  gravierende  Änderung  der Rechtslage ist damit im Hinblick auf die bislang nach § 27 Absatz 1 bestehenden Kompetenzen des Verwalters und unter Berücksichtigung der diese oft erweiternden Regelungen in den Verwalterverträgen nicht verbunden. Daneben sollen aber vor allem die Wohnungseigentümer die Möglichkeit haben, die Zuständigkeiten des Verwalters durch Beschluss zu bestimmen, indem sie seinen Aufgabenkreis erweitern oder einschränken. Damit ist sichergestellt,  dass  die  Wohnungseigentümer  stets  die  Herren  der  Verwaltung  ihres  gemeinschaftlichen Eigentums bleiben.

  1. Stärkung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer im Rechtsverkehr

Der Entwurf sieht im Interesse der Wohnungseigentümerinnen und Wohnungseigentümer eine  Präzisierung  der  Regelungen  über  die  rechtsfähige  Gemeinschaft  der Wohnungseigentümer  im  Rechtsverkehr  vor.  Denn  nach  dem  Konzept  des  WEG  nehmen  die  Wohnungseigentümer  über  die  rechtsfähige  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  am Rechtsverkehr teil. In der Praxis wird dies jedoch dadurch behindert, dass potentielle Vertragspartner  nach  geltendem  Recht  nicht  verlässlich  ermitteln  können,  ob  der  Verwalter vertretungsberechtigt ist oder nicht. Das wirkt sich nicht nur zulasten des Rechtsverkehrs, sondern  vor  allem  auch zu Lasten  der Wohnungseigentümerinnen  und Wohnungseigentümer aus. Besonders drängend sind die Probleme bei einseitigen Rechtsgeschäften der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer. Denn dem Empfänger steht nach Ansicht des Bundesgerichtshofs  ein  Zurückweisungsrecht  nach  § 174  BGB  zu  (Bundesgerichtshof,  Urteil vom 20. Februar 2014 –III ZR 443/13). Der Entwurf löst diese Probleme, indem er klare Vorschriften  zur  Vertretung  der  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  vorsieht  (§ 9b WEG-E).

§ 9 b  regelt  die  Vertretung  der  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer.  Diese  obliegt grundsätzlich dem Verwalter (Absatz 1 Satz 1). Hat die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keinen Verwalter, obliegt sie den Wohnungseigentümern gemeinschaftlich (Absatz 1 Satz 2). Über die Vertretung gegenüber dem Verwalter entscheiden die Wohnungseigentümer durch Beschluss (Absatz 2). Eine Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer durch den Verwalter (vgl. den geltenden § 27 Absatz 2) sieht der Entwurf nicht mehr vor. Im Rechtsverkehr ist sie in der Regel nicht notwendig, weil die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer am Rechtsverkehr teilnimmt und nicht die Wohnungseigentümer als solche. Aufgrund der nach § 44  Absatz 2  WEG-E  vorgesehenen  Passivlegitimation  der  rechtsfähigen  Gemeinschaft der Wohnungseigentümer in Beschlussklagen ist eine Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer auch prozessual nicht mehr notwendig. Soweit die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nach § 9a Absatz 2 WEG-E bestimmte Rechte und Pflichten der einzelnen Wohnungseigentümer wahrnimmt, bedarf es ohnehin keiner Vertretung der einzelnen Wohnungseigentümer. Alle anderen Rechte und Pflichten können und müssen die Wohnungseigentümer selbst ausüben und wahrnehmen. Nach § 9b Absatz 1 Satz 1 vertritt der Verwalter die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gerichtlich und außergerichtlich. Seine Vertretungsmacht ist nach § 9b Absatz 1 Satz 3 unbeschränkt und kann auch nicht durch Vereinbarung oder Beschluss beschränkt werden. Die Wohnungseigentümer sind nach § 9b Absatz 1 Satz 2 zur gemeinschaftlichen Vertretung  nur  berechtigt,  wenn  die  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  keinen  Verwalter hat. Auch diese Ersatzvertretungsbefugnis kann nach § 9b Absatz 1 Satz 3 nicht durch Vereinbarung oder Beschluss eingeschränkt werden. § 9b  Absatz 1  erleichtert  zum  einen  den  Rechtsverkehr  mit  der  Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer. Wer  mit  einem  Verwalter  einen  Vertrag  schließt,  muss  nicht  mehr  befürchten,  dass  dessen  Vertretungsmacht für  den Abschluss  des  Vertrags nicht  ausreicht. Dies  dient  zugleich  dem  Interesse  der  Wohnungseigentümer,  über  die  rechtsfähige  Gemeinschaft  der Wohnungseigentümer  effizient  am  Rechtsverkehr  teilnehmen  zu  können. Zum anderen werden Probleme beseitigt, die nach geltendem Recht bei einseitigen Rechtsgeschäften bestehen. Denn nach herrschender Meinung kann ein vom Verwalter als Vertreter der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer vorgenommenes einseitiges Rechtsgeschäft nach § 174 Satz 1 BGB zurückgewiesen werden (BGH, Urteil vom 20. Februar 2014 –III ZR443/13). Dies kommt nach § 9b Absatz 1 nicht mehr in Betracht. Denn jedenfalls auf unbeschränkt und unbeschränkbar vertretungsberechtigte Organe ist § 174 BGB nicht anwendbar. Auch die Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zur Anwendung von § 174 BGB auf die Vertretung von Gesellschaften bürgerlichen Rechts ist nicht auf die Gemeinschaft der Wohnungseigentümer übertragbar. Denn diese Rechtsprechung bezieht sich auf den Fall, dass die Vertretung der Gesellschaft bürgerlichen Rechts von den gesetzlichen Vorschriften der §§ 709, 714 BGB abweicht (vergleiche BGH, Urteil vom 9. November 2001, ZR 4/01). Das ist bei der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer nicht denkbar, da von der gesetzlich vorgesehenen Vertretungsmacht nach § 9b Absatz 1 Satz 3 nicht abgewichen werden kann. Dass die Person des Verwalters nicht aus einem Register ersichtlich ist, ändert daran nichts; § 174 BGB mutet nämlich die mit der Inanspruchnahme gesetzlicher Vertretung verbundene Unsicherheit über die Wirksamkeit des Bestehens der behaupteten  Vertretungsmacht –unabhängig  vom  Bestehen  eines  Registers –dem  Erklärungsempfänger zu (BGH, Urteil vom 9. November 2001 –ZR 4/01).

§ 9b Absatz 2 sieht in Anlehnung an § 46 Nr. 8 GmbHG eine Beschlusskompetenz vor, die Vertretung der Gemeinschaft  der  Wohnungseigentümer  gegenüber  dem  Verwalter  zu regeln,  wenn  dieser außergerichtlich  nach  § 181  BGB  bzw.  gerichtlich  nach  allgemeinen  prozessrechtlichen Grundsätzen von der Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer ausgeschlossen ist. In  diesen  Fällen  kann  zum  Beispiel  ein  Wohnungseigentümer  zur  Vertretung  ermächtigt werden. Im Übrigen ist im Hinblick auf die Vertretung der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer keine Beschlusskompetenz der Wohnungseigentümer vorgesehen. Insbesondere können einzelne Wohnungseigentümer nicht durch Beschluss anstelle oder neben dem Verwalter zu Vertretern der Gemeinschaft der Wohnungseigentümer gekürt werden. Diese Möglichkeit wird zum Schutz der Minderheit ausgeschlossen, der die Existenz eines Vertreters, der nicht gleichzeitig die aus der Stellung als Verwalter folgenden Pflichten hat, nicht zuzumuten  ist.  Möchte  die  Mehrheit  durch  Beschluss  einen  Vertreter  küren,  ist  ihr  dies  möglich, indes  nur  durch  Bestellung  eines  Verwalters.  Sind sich  alle  Wohnungseigentümer  einig, können sie nach den allgemeinen Grundsätzen der Gesamtvertretung freilich auch einen oder mehrere von ihnen ermächtigen.

  1. Sondereigentumsfähigkeit von Freiflächen

Nach geltendem  Recht  ist  es  nicht möglich,  das Sondereigentum  auf außerhalb  des Gebäudes liegende Teile des Grundstücks zu erstrecken, etwa auf Terrassen, Gartenflächen oder Stellplätze für Fahrzeuge im Freien. Soll einzelnen Wohnungseigentümerinnen oder Wohnungseigentümern ein ausschließliches Nutzungsrecht an diesen Flächen zugewiesen werden,  werden  in  der  Praxis  sogenannte  Sondernutzungsrechte  begründet.  Diese  sind gesetzlich  indes  nicht  näher  geregelt,  weshalb  sie  im  Detail  eine  Reihe  schwieriger,  teilweise  noch  nicht  abschließend  geklärter  Rechtsfragen  aufwerfen.  Die  damit  zusammenhängende  Rechtsunsicherheit  ist  für Wohnungseigentümer  auch  deshalb  belastend,  weil der wirtschaftliche Wert etwa von Terrassen, Gartenflächen und Stellplätze im Freien parallel zu den allgemeinen Immobilienpreisen steigt. Der  Entwurf  beseitigt  diese  Rechtsunsicherheit, indem  Sondereigentum auch  auf  Freiflächen erstreckt werden können soll (§ 3 Absatz 1 Satz 2, Absatz 2 WEG-E). Eine „Flucht in das Sondernutzungsrecht“ wird damit in den meisten Fällen entbehrlich.

  1. Modernisierung des gerichtlichen Verfahrensrechts

Der Entwurf sieht eine umfassende Modernisierung des gerichtlichen Verfahrensrechts vor. Denn  nach  geltendem  Recht  muss  ein  Wohnungseigentümer,  wenn  er  einen  Beschluss gerichtlich anfechten will, alle übrigen Wohnungseigentümer verklagen. Das führt nicht nur zu  schwer  handhabbaren  Prozessen  mit  einer  Vielzahl  von  Beteiligten.  Es  ergeben  sich häufig auch Irritationen bei den Wohnungseigentümern, weil auch diejenigen Wohnungseigentümer verklagt werden müssen, die –wie der Kläger –gegen den Beschluss gestimmt haben. Gerade bei großen Gemeinschaften, die oftmals von einem häufigen Eigentümerwechsel geprägt sind, besteht außerdem die Gefahr, den Prozessgegner unrichtig zu benennen. Um diese Probleme zu lösen, sieht der Entwurf vor, dass Beschlussklagen künftig gegen die rechtsfähige Gemeinschaft der Wohnungseigentümer zu richten sind. Diese Neuausrichtung ermöglicht es zugleich, die meisten prozessualen Sondervorschriften  für  Wohnungseigentumssachen  aufzuheben.  Denn  diese  Sondervorschriften  dienen hauptsächlich  dazu,  die  Probleme  zu  bewältigen,  die  sich  daraus  ergeben,  dass  bislang insbesondere Verfahren über die Anfechtung von Beschlüssen zwischen allen Wohnungseigentümern geführt werden müssen. Auf diese Weise wird die Überleitung des wohnungseigentumsrechtlichen Verfahrens in den allgemeinen Zivilprozess abgeschlossen, der mit der WEG-Novelle 2007 begonnen wurde.

  1. Grundbucheintragung vereinbarungsändernder Beschlüsse

Vereinbarungsändernde Beschlüsse, die auf Grundlage einer gesetzlichen oder rechtsgeschäftlichen Öffnungsklausel gefasst werden, wirken nach aktueller Rechtslage auch ohne Grundbucheintragung gegenüber Erwerbern von Wohnungseigentum. Um einen besseren Erwerberschutz zu gewährleisten, sollen Beschlüsse, die die Eigentümer auf Grundlage einer rechtsgeschäftlichen Öffnungsklausel gefasst haben, in Zukunft der Eintragung im Grundbuch bedürfen, um gegenüber Rechtsnachfolgern zu wirken.

  1. Entziehung des Wohnungseigentums

Der Entwurf sieht eine Neuregelung der Vorschriften zur Entziehung des Wohnungseigentums vor. So soll allgemein formuliert werden, dass eine Verletzung der Pflichten, die gegenüber der Gemeinschaft bestehen, eine Entziehung des Wohnungseigentums rechtfertigen kann. Dies kann der Begründung zufolge etwa eine Verletzung der Pflicht zur Kostentragung sein.

  1. Beschlusskompetenz für Vertragsstrafen

Die Wohnungseigentümer sollen die Kompetenz erhalten, Vertragsstrafen für den Fall zu beschließen, dass ein Eigentümer seine Pflichten verletzt. Dies soll sowohl den Verzug mit Geldforderungen als auch sonstige Pflichtverletzungen umfassen.

 

  1. Kostenentscheidung zulasten des Verwalters abschaffen

§ 49 Abs. 2 WEG, wonach das Gericht dem Verwalter im Falle groben Verschuldens Prozesskosten auferlegen kann, soll gestrichen werden. Die Wohnungseigentümer seien hinreichend durch materiell-rechtliche Schadensersatzansprüche geschützt, heißt es in der Begründung des Gesetzentwurfs.

  1. Beschluss-Sammlung

Die gesetzliche Pflicht, über die Beschlüsse der Wohnungseigentümer eine Beschluss-Sammlung zu führen, soll im Rahmen der Reform entfallen.

Die Verbände hatten bis zum 14.2.2020 Gelegenheit, zu dem Gesetzentwurf zur WEG-Reform Stellung zu nehmen. Es bleibt abzuwarten, wie zügig das Gesetz nun umgesetzt werden kann.

Rechtsanwältin Melanie Sterns-Kolbeck
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