HAUS + GRUND MÜNCHEN hat beim Bayerischen Verwaltungsgerichtshof ein Normenkontrollverfahren gem. § 47 VwGO gegen die seit 01.01.2020 geltende Neufassung der Zweckentfremdungssatzung beantragt.
Kommunale Zweckentfremdungssatzungen sind ein legitimes und von der Rechtsprechung anerkanntes Instrumentarium zum Erhalt von Wohnraum z.B. durch das Verbot, Wohnraum für andere z.B. gewerbliche Zwecke zu nutzen. Allerdings dürfen die Städte und Gemeinden damit nicht ihre gesetzlichen Kompetenzen überschreiten, sich z.B. nicht anmaßen, Eingriffe in das Mietrecht vorzunehmen – so geschehen allerdings mit der am 01.01.2020 in Kraft getretenen Neufassung der Zweckentfremdungssatzung, die am 02.10.2019 noch vom schwarz-roten Stadtratsbündnis verabschiedet wurde.
Brisanter Stadtratsbeschluss
Dieser für den Wohnungsbau in München wohl brisanteste Stadtratsbeschluss der letzten Jahre ist bisher in der Öffentlichkeit, wohl auch bei den direkt betroffenen Bauherrn und Bauträgern kaum bekannt. Der fehlende Aufschrei in der Branche lässt dies vermuten. Möglicherweise wurden die gravierenden Auswirkungen dieses kleinen „Federstrichs“ in der Satzung nicht erkannt.
Worum geht es?
Wer in München ein Wohngebäude abreißen und durch einen Neubau ersetzen will, benötigt neben der Baugenehmigung nicht nur eine Abriss-, sondern auch eine Zweckentfremdungsgenehmigung, da auch ein Abriss als Zweckentfremdung gilt.
Seit 01.01.2020 gilt in München eine verschärfte Zweckentfremdungssatzung. Danach muss sich die Miete für die neugebauten Wohnungen an der ortsüblichen Miete orientieren. Nach Auffassung des Sozialreferates bedeutet dies, dass die Mieten für die neugebauten Wohnungen um maximal 5 % über den Mietspiegelwerten liegen dürfen.
Beispiel aus der Praxis:
Eine Hauseigentümergemeinschaft will ein über 50 Jahre altes Mehrfamilienhaus mit 9 Wohnungen und 327 m² Wohnfläche abreißen und durch einen Neubau mit 506 m² Wohnfläche ersetzen. Unter Hinweis auf die verschärfte Zweckentfremdungssatzung erteilt das Sozialreferat die Genehmigung nur unter der Auflage, dass die Mieten für den Ersatzwohnraum um maximal 5 % über dem Münchner Mietspiegel liegen dürfen; d.h. die Miete für den neu errichteten Ersatzwohnraum darf maximal € 11,82/m² betragen (€ 11,26/m² für 70 m²-Wohnung in guter Lage lt. Mietspiegel 2019 + 5 %). Dagegen beträgt die durchschnittliche Erstbezugsmiete lt. städtischem Wohnungsmarktbarometer 2019 € 20,37/m²; d.h. die neuen Wohnungen müssten um 45 % unter der Marktmiete vermietet werden. Ein eklatanter Widerspruch zum Bundesrecht: Danach sind Neubauten von der Mietpreisbremse ausgenommen (§ 556f BGB). Die Miethöhe für Neubauten ist somit nicht an den Mietspiegel gebunden. Diese Ausnahme ist dem Sozialreferat seit ihrem Inkrafttreten ein „Dorn im Auge“ und soll nun mit der Verschärfung der hauseigenen Satzung unterlaufen werden.
Absurde Folge: Lag die Miete für die alten Wohnungen um 10 % über dem Mietspiegel, was nach den Bestimmungen der Mietpreisbremse zulässig ist, darf sie für die für ca. 2 Mio. Euro neu errichteten Wohnungen nur noch um 5 % über dem Mietspiegel liegen. Die Mieten für die neu gebauten Wohnungen müssen danach niedriger sein als die ehemaligen Mieten für die alten Wohnungen.
Dies wird der gerichtlichen Überprüfung nicht standhalten: Weder die Städte noch die Bundesländer sind befugt, mietrechtliche Regelungen zu erlassen. Dies hat erst kürzlich am 16.07.2020 der Bayerische Verfassungsgerichtshof zum Volksbegehren Mietenstopp entschieden. Dementsprechend ist die Stadt nicht befugt, in die Zweckentfremdungssatzung eine Begrenzung der Mieten für die neuerrichteten Wohnungen festzuschreiben. Wir gehen daher davon, dass der Bayerische Verwaltungsgerichtshof den entsprechenden Passus in der Zweckentfremdungssatzung für unwirksam erklären wird.
Mietminderung und Wertverlust
Problematisch kann es allerdings für die Bauherrn und Bauträger werden, die diesen „Stolperstein“ in ihren Zweckentfremdungsbescheid nicht erkannt und daher nicht fristgerecht Widerspruch eingelegt haben. Dann könnte die Mietbegrenzung bestandskräftig geworden sein. Das böse Erwachen kommt dann spätestens, wenn der Mieter eine Senkung der vereinbarten Neubaumiete z.B. von € 1.400 für eine 70 m²-Wohnung (€ 20/m²) auf € 840 (€ 12/m² laut Mietspiegel) verlangt.
Erkennt der Kaufinteressent für eine Eigentumswohnung das Problem noch vor der Beurkundung, wird der Verkäufer, i.d.R. der Bauträger Probleme haben, den kalkulierten Verkaufspreis zu erzielen.
Rechtsanwalt Rudolf Stürzer
Vorsitzender Haus + Grund München
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Miete und Mieterhöhung
ISBN: | 978-3-648-16612-3 |
Auflage: | 3. Auflage 2024 |
Umfang: | 274 Seiten |
Einband: | Broschur |
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