Bayerischer Verwaltungsgerichtshof kippt Zweckentfremdungssatzung
Wer in München ein altes Mehrfamilienhaus abreißen und durch einen Neubau ersetzen will, muss zwingend wieder Mietwohnungen bauen. Eigentumswohnungen sind nicht zulässig. Ferner müssen die neuen Wohnungen zur Mietspiegelmiete vermietet werden. So steht es in der seit 01.01.2020 verschärften Zweckentfremdungssatzung der Stadt.
Beispiel aus der Praxis:
Eine Hauseigentümergemeinschaft will ein über 50 Jahre altes Mehrfamilienhaus mit 9 Wohnungen und 327 m² Wohnfläche abreißen und durch einen Neubau mit 506 m² Wohnfläche ersetzen. Unter Hinweis auf die verschärfte Zweckentfremdungssatzung erteilt das Sozialreferat die Genehmigung nur unter der Auflage, dass die Mieten für den neu errichteten Ersatzwohnraum maximal € 11,26/m² betragen darf (70 m²-Wohnung in guter Lage lt. Mietspiegel 2019). Dagegen beträgt die durchschnittliche Erstbezugsmiete lt. städtischem Wohnungsmarktbarometer 2019 € 20,37/m²; d.h. die neuen Wohnungen müssten um 45 % unter der Marktmiete vermietet werden. Ein eklatanter Widerspruch zum Bundesrecht: Danach sind Neubauten von der Mietpreisbremse und damit von der Bindung an den Mietspiegel ausgenommen.
Absurde Folge: Lag die Miete für die alten Wohnungen um 10 % über dem Mietspiegel, was nach den Bestimmungen der Mietpreisbremse zulässig ist, darf für die für ca. 2 Mio. Euro neu errichteten Wohnungen nur noch die Mietspiegelmiete und damit weniger als für die alten Wohnungen verlangt werden.
Diese Verwaltungspraxis verstößt gegen Recht und Gesetz, urteilte der Bayerische Verwaltungsgerichtshof am 20.01.2021 in dem von HAUS + GRUND MÜNCHEN angestrengten Normenkontrollverfahren. Eine Revision gegen diesen Beschluss hat der VGH nicht zugelassen. Die Stadt hat die Kosten des Verfahrens zu tragen.
Der Stadt fehlt für einen Eingriff in das Mietrecht schlichtweg die Kompetenz. Mangels einer entsprechenden Ermächtigungsgrundlage kann die Stadt dem Bauherrn weder den Bau von Eigentumswohnungen untersagen noch eine Mietpreisbeschränkung auferlegen.
Der Beschluss ist nicht nur juristisch, sondern auch politisch brisant. Allein die subjektive Vorstellung der Entscheidungsträger der Stadt, die Marktsituation würde solche Regelungen erforderlich machen, erlaube es nicht, das Recht „einseitig in eine bestimmte Richtung zu verschieben“ und die Vorgaben des Zweckentfremdungsrechts durch eigene Vorstellungen „aufzuladen“ – heißt es in dem Beschluss.
Versagt habe aber auch die Staatsregierung als Rechtsaufsichtsbehörde. „Es kann nur befremden – so der VGH – dass die Staatsregierung das Handeln der Stadt in einer Stellungnahme an das Gericht zwar ausdrücklich für rechtswidrig erachtet, aber selbst nicht die Kraft findet, das gesetzwidrige Handeln der Landeshauptstadt rechtsaufsichtlich zu beanstanden, so dass der Antragsteller – HAUS + GRUND MÜNCHEN - verwaltungsgerichtlichen Rechtschutz in Anspruch nehmen musste, um seine Rechte zu wahren“. Deutliche Worte in dem 20-seitigen Beschluss. Letztlich eine „Watschn“ für Stadt und Staatsregierung.
Rechtsanwalt Rudolf Stürzer
Vorsitzender Haus + Grund München
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